Neue Keramik 5/2024

Aktuelle Ausgabe – Neue Keramik 5/2024

Im PORTRAIT: 8 Keramikkünstlerinnen und -künstler aus Niederlande, Rumänien, Großbritannien, USA, Deutschland. Wir berichten über AUSSTELLUNGEN und VERANSTALTUNGEN aus Italien, Australien, Deutschland, Griechenland , Italien, Schweiz. Im KÜNSTLER-JOURNAL stellen wir Sayaka Shingu und Shiyuan Xu. Darüber hinaus Werkstattgespräche, Termine, Kurse, Seminare, Märkte.

Inhalt

DIE NEWS

PORTRAITS
Job Heykamp – Niederlande
Irene Vonck – Niederlande
George Dragomir – Rumänien
Florian Gadsby – Großbritannien
Judith de Vries – Niederlande
Wiests van Leeuwen – Niederlande
Rick Dilllingham – USA
Silke Wellmeier – Deutschland

AUSSTELLUNGEN / VERANSTALTUNGEN
Gio Ponti im MIC – Faenza – Italien
Portoni Aperti – Nove – Italien
Clay Gulgong 2024 – Gulgong – Australien
KINTEI Sense – Frankfurt – Deutschland
100 Jahre Werkstatt Margaretenhöhe – Essen / Düsseldorf – Deutschland
1. Biennale Zeitgenössischer Keramik – Santorin – Griechenland
Bei Ming in Rom – Rom – Italien
EXPONATE – Höhr-Grenzhausen – Deutschland
Parcours Céramique Carougeois – Carouge – Schweiz
PIECES – Aarhus – Dänemark
Conditional Freedom – Genf – Schweiz
Welcome to the Jungle – Frechen – Deutschland
Italien, Australien, Deutschland, Griechenland , Italien, Schweiz

BÜCHER
Neue Lektüre – International

KÜNSTLER-JOURNAL

Sayaka Shingu (Japan) und Shiyuan Xu (China) – Ting-Ju Shao

WERKSTATTGESPRÄCHE

Evelyne Schoenmann Monika Gass  – Interview / Technik

TERMINE / Ausstellungen / Galerien / Museen
Ausstellungskalender    International

KURSE / SEMINARE / MÄRKTE
ANZEIGEN
VORSCHAU / IMPRESSUM

Leseproben

Irene Vonck

Vor mehr als zwanzig Jahren schrieb ich für Ceramics Monthly (USA) einen Artikel über Irene Voncks Arbeit; ich nannte ihn „Dialogue with clay.“. Sie sagte mir damals: „Ich liebe, respektiere und verstehe Ton.“ Ich war sehr beeindruckt von ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsweise.
Über zwanzig Jahre später, nachdem wir beide unser Leben lang mit Ton gearbeitet hatten, sprachen wir erneut über eine persönliche Aussage, Freiheit, aber auch über technische und praktische Grenzen bei der Arbeit mit Ton.
Irene wurde 1952 in Dublin, Irland, als Kind niederländischer Eltern geboren und wuchs in England auf. Sie studierte an der Falmouth School of Art, dann am Brighton Polytechnic und schließlich an der Rietveld Academy in Amsterdam.
All diese sehr unterschiedlichen Institutionen gaben ihr etwas, aber ihr starker Wille trieb sie dazu, doch ihren eigenen Weg zu finden: Eine spontane, intuitive Arbeitsweise, bei der sie die Einschränkungen ignorierte und die Dynamik des Flusses zwischen dem Ton und ihrer Energie akzeptierte und einfing.
Irene beginnt ihre Stücke mit weichem Ton. Sie verwendet den feinschamottierten Steinzeugton Vingerling K123 oder rotes Terrakotta-Steinzeug, ebenfalls feinschamottiert. Ihre Stücke sind oft 60 cm hoch, 70 cm lang und wiegen bis zu 35 oder 40 kg.

(Nesrin During)

Irene Vonck

Judith de Vries

Fragil. Das ist das erste Wort, das einem bei der Beschreibung der Arbeiten von Judith de Vries in den Sinn kommt. Dünne, farbenfrohe Porzellanformen, die an Schmetterlingsflügel und Blütenblätter erinnern. Überein-ander oder nebeneinander geschichtet, nahtlos auf einem gedrehten Sockel aufgebaut. (Mels Boom, 2016)
Judith de Vries arbeitet seit 40 Jahren in ihrem Atelier in Amsterdam mit Porzellan. Sie hat einen unverwechselbaren Stil entwickelt, der leicht wiederzuerkennen ist.
Die meisten ihrer Gefäße sind dekorativ und nicht zum Gebrauch gedacht: „Ich denke, das Gefäß (Schüssel- oder Vasenform) mit dem Rand als Grenze zwischen innen und außen, ist eine schöne Form, in der ich meine Ideen zum Ausdruck bringen kann…”

Inspiration
Judiths Arbeit mit Porzellan verbindet ihre Liebe zur Natur mit ihrer Vorliebe für farbenfrohe Muster.
”Judith hat ihre Inspirationsquellen gleich nebenan: Die Bewohner von Artis, dem Zoo in Amsterdam, sind ihre Nachbarn. Während sie sich von den Designs, Mustern und Farben der Fische, Schmetterlinge und Vögel inspirieren lässt, ist sie fasziniert, wenn sie Muster entdeckt, die sie in ihrem Atelier entworfen hat und die sich auch in den Häuten der Tiere wiederfinden. Vielleicht leihen sie sich gegenseitig Ideen, denn Judith denkt, daß „es sich manchmal anfühlt, als ob man einen flüchtigen Blick auf das Mysterium der Natur erhascht.” (Mels Boom, 2016)“

(Judith de Vries / Mels boom)

Judith de Vries

Wietske van Leeuwen

Wer kennt sie nicht: die allegorischen Gemälde des Mailänder Manieristen Giussepe Arcimboldo (1527-1595). Es handelt sich um Porträts – “en face” und “en profile” -, die jeweils aus einer Fülle von Gemüse, Getreide, Obst, Blumen, Tieren, Fischen, Büchern, Körben, Werkzeugen und dergleichen ausgestattet sind. Sein exzentrisches Werk wurde in kaiserlichen und königlichen Kreisen sehr geschätzt und gelangte in die Kunst- und Wunderkammer der habsburgischen Kaiser (Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolf II.). Die Collagen waren eine willkommene Ergänzung für die sogenannten Naturalienkabinette. Naturprodukte sind oft dem Verfall unterworfen und konnten, wenn sie gemalt wurden, auch auf Dauer in die Sammlungspräsentation aufgenommen werden. Dies alles als Gegenstück zu den“Artificialia”-Kabinetten (Kunst).
Wietske van Leeuwen (Rotterdam 1965) fertigt seit über 30 Jahren dreidimensionale Keramik-Assemblagen. Mit formlosem Ton hat sie nichts am Hut. Sie muss erst Formen in Gipsformen drucken, bevor sie richtig loslegen kann. Sie verarbeitet unter anderem die Schäfte von Römergläser, Muscheln, Schneckenhäusern, Zitronen und Paprika, aber auch gewickelte Seile und die Stängel von Unkräutern wie Bärenklau. Bei den Objekten, die in Reihen aus den Zusammenstellungen und Stapeln entstehen, handelt es sich ausnahmslos um Schachteln, Schalen, Flaschen, Kerzenständer und hohe Deckeldosen. Für ihre Objekte verwendet sie die Ernte von Gegenständen aus ihrer unmittelbaren Umgebung. “Die Elemente, die ich auswähle, sind jedesmal Formen, mit denen ich schon seit einiger Zeit arbeite, wie die Artischocke aus meinem Schrebergarten.

(Thimo te Duits)

Wietske van Leeuwen

Silke Wellmeier

Von der Keramikhandwerkerin zur Künstlerin – von der Künstlerin zur Politikerin – ein ungewöhnlicher Weg, was hat Sie dazu bewogen?
Während meiner Ausbildung zur Töpferin in meinem Heimatort wurde ich von einer Lehrerin der Berufsschule ermutigt, mich für ein künstlerisches Studium am IKKG zu bewerben. Ohne diesen Anstoß hätte ich mir eine künstlerische Laufbahn vermutlich nicht zugetraut, da mein Umfeld stark handwerklich geprägt war. Im Studium entdeckte ich dann meine Leidenschaft für Porzellan und die Aufbautechnik, der ich bis heute treu geblieben bin.
Die Entscheidung, mich 2019 auch politisch zu engagieren, resultiert direkt aus meiner künstlerischen Arbeit. In meinen verschiedenen Serien widme ich mich jeweils spezifischen Themen, stets aus einer beobachtenden Position heraus. Dabei versuche ich, meine Umwelt anders wahrzunehmen und bestimmte Details präzise abzubilden. Das “Abbilden” verstehe ich dabei im wörtlichen Sinne: Ich forme nach, mit Material und meinen Händen.
Aus diesen künstlerischen Beobachtungen entstand in mir die Frage, was ich zusätzlich zu meiner Kunst aktiv zur “Zeit der großen Beschleunigung” beitragen kann. So begann mein politisches Engagement. Heute betreibe ich beides parallel, was zwar nicht immer einfach ist, aber gerade durch die unterschiedlichen Anforderungen beider Tätigkeiten eine bereichernde Ergänzung darstellt.

(Monika Gass)

Silke Wellmeier

Das 26. Keramik Festival “Portoni Aperti” in Nove, Italien

Vom 8. bis 10. September letzten Jahres verwandelte sich Nove in die „europäische Hauptstadt“ der Keramik. Die historischen Stätten der antiken Keramikkunst wurden wiederbelebt und traten in Dialog mit Künstlern und Künstlerinnen aus aller Welt. Das 26. Keramikfestival und Open Doors präsentierten ein reichhaltiges Programm an Ausstellungen und Veranstaltungen: Ausstellungen in den historischen Orten und Museen der Stadt, offene Fabrikführungen, Workshops, auch für Kinder, Vorführungen, Konferenzen und Thementreffen. Das Stadtmuseum für Keramik bot freien Eintritt. Neben der Dauerausstellung konnten Besucher in der Ausstellung „The Never Seen 2“ seltene und unveröffentlichte Keramiken aus dem 18. Jahrhundert aus Nove bewundern. Darüber hinaus wurde im Erdgeschoss die Ausstellung „Neue Anschaffungen“ mit 17 Werken von Candido Fior, Pompeo Pianezzola, Antonio Riello, Cesare Sartori, Alberto Scodro und Alessio Tasca gezeigt. Diese Werke wurden im Rahmen eines Projekts für die Dauerausstellung des Museums erworben.
Die prächtigen Räume des Baccin-Zanolli-Sebellin BiblioMuseo widmeten sich einer Erzählung, die den Menschen von Nove am Herzen lag, und präsentierten „Poloniato/Polloniato – eine Keramikerfamilie in Nove“. Diese Ausstellung ist eine Hommage an die Familien Poloniato und Polloniato anhand einer Auswahl von Werken, die ihren jahrhundertelangen Beitrag zum Kunsthandwerk zeigen. Sie beleuchtet ihre Beziehung zur Barettoni-Fabrik, ehemals Antonibon, sowie ihre zeitgenössischen und experimentellen künstlerischen Bemühungen.

(Alessandro Bertoncello)

Das Töpfer-Fahrrad ARGI-Bike von Thomas Benirschke und Davide Brini vor dem Nove Civic Museum of Ceramics

18. Ausgabe des Parcours Céramique
Carougeois, Carouge

Der Parcours Céramique Carougeois feiert dieses Jahr seinen 35. Geburtstag. Das Geheimnis seiner Langlebigkeit liegt in der Leidenschaft, die die Organisatoren dieser Biennale antreibt und in ihrer Begeisterung für Zeitgenössische Keramik. Vom 14. bis 22. September 2024 stellen mehr als 20 Künstler und Künstlerinnen aus acht Ländern Werke aus, die vom unbegrenzten Reichtum dieses Mediums zeugen. Das diesjährige Thema ist der Ton als Vehikel für Botschaften und Interpretationen der Welt.
Zum 18. Mal in 35 Jahren verwandeln sich die Straßen, Stände und Galerien von Carouge (Genf, Schweiz) vom 14. bis 22. September in eine riesige Ausstellung zeitgenössischer Keramik. Während der Parcours Céramique Carougeois (PCC) über die Jahrzehnte seinen lokalen, geselligen Geist bewahrt hat, spielt diese Veranstaltung jetzt in der großen Liga.
Emilie Fargues, Leiterin der Bruckner-Stiftung, die den PCC organisiert sagt: „Heute gibt es andere Biennalen zeitgenössischer Keramik, aber dies ist einer der ersten Events dieser Art in Europa“.

Thibaut Renoulet bei Catherine Schmeer

Welcome to the Jungle!
Eine Gruppenausstellung nationaler und
internationaler Künstlerinnen im Keramion Frechen

“Welcome to the Jungle!” ist eine Ausstellung, die sich dem zen-tralen Thema der “conditio humana” aus verschiedenen Blickwinkeln annähert. Der “Dschungel” dient hierbei als kraftvolle Metapher für das undurchdringliche Geflecht, das die Bedingungen und Umstände des Menschseins stets in Frage stellt. Die Ausstellung setzt den Fokus auf Künstlerinnen, die dieses Thema mit ihren einzigartigen künstlerischen Perspektiven erhellen. Ihre Keramikarbeiten verkörpern die zerbrechliche Schönheit, aber auch die Stärke, die in der Beziehung zwischen Mensch und Natur liegt.
Ausstellung im Keramion
Welcome to the Jungle
Ausstellung dauert bis zum 29.9.2024
Museum Keramion
Bonnstraße 12, 50226 Frechen
www.keramion.de
@keramion
www.facebook.com/keramionkeramikmuseum

Isa van Lier, Walking Island, 2023

Künstlerjournal

Sayaka Shingu –  Japan
Sayaka Shingu (geb. 1979) hielt eine Blume in der Hand, die ihr bekannt vorkam, aber nur in ihrer Vorstellung existierte. Die Blume strahlte Eleganz und Wildheit aus, mit Staubgefäßen, die so stark waren wie Gras, das sich im Wind beugte. Jedes Blütenblatt war frei ausgestreckt und gekräuselt. Kindheitserinnerungen an Federn, weichen Ton und verwelkende Blumen wurden zu den Materialien und lebendigen Bildern ihrer Werke. Die Künstlerin verwendet Schwarz, Weiß und Grau als ihre Grundfarben, als wären diese Bilder Schwarz-Weiß-Bilder aus ihrem Kopf.

Shiyuan Xu – China
Es ist üblich, die Welt mit einem Panoramablick zu betrachten, doch „jedes Sandkorn ein Universum, jede Blume ein Paradies“ fängt die Essenz von Shiyuan Xus mikroskopischer Darstellung der Natur in ihren Werken ein. Ihre Plastiken gehen über gewöhnliche visuelle Eindrücke botanischer Welten hinaus und vermischen die Vitalität kosmischer Moleküle mit komplexen Strukturen.
Shiyuan Xu (geb. 1989) erhielt einen BA in Keramik von der China Academy of Art und einen MFA von der Arizona State University. Ihre Inspiration bezieht sie aus der Erforschung von Mikroorganismen, wobei sie sich auf ihre Strukturen und ihr Wachstum, ihre Ausbreitung und ihren Zerfall konzentriert.

(Ting-Ju SHAO)

Sayaka Shingu – Japan

Shiyuan Xu – China

Werkstattgespräch mit Evelyne Schoenmann

Evelyne, wir kennen uns schon recht lange – durch die Neue Keramik und durch die AIC/IAC – aber auch durch Deine Keramik. Deine erste Berufung war die Keramik aber nicht. Was hat Dich zum „TON“ gebracht?
Deine Frage ist treffend, Monika. Bevor ich Keramikerin wurde, war ich Pianistin. Ich habe also schon vor meiner Zeit als Keramikerin mit «Ton» zu tun gehabt – oder korrekter: mit Tönen. Aus persönlichen Gründen musste ich mit dem Klavierspiel aufhören, und mit Ton zu arbeiten, war zuerst Therapie für mich. Daraus wurde eine Leidenschaft, die mich in der Welt weit herumbrachte. Ich kann mir ein Leben ohne «Ton» nicht vorstellen – übrigens auch nicht ohne Musik, also ohne Töne.

Deine Keramiken sind geprägt von Ton als Material in erdfarbigem Charakter, oft geschmauchte Oberflächen, eher kultisch als schlicht… Ich möchte sie bezeichnen als spirituell geprägt – entstanden unter dem Einfluss anderer Kulturen. Haben Deine Reisen Dich dazu inspiriert, oder war das schon immer ein Schwerpunkt für Dich?
Definitiv die vielen Reisen in Südostasien. Korea, Japan und Taiwan haben meine Arbeiten stark inspiriert und geprägt. Ich denke dabei insbesondere an die im Alltag präsenten Rituale, die Traditionen in diesen Ländern, die Verbundenheit mit den Ahnen in der Religion.

(Monika Gass)

Evelyne Schoenmann

Alle 2 Monate neue Lesefreude

Holen Sie die ganze Welt der künstlerischen Keramik zu sich nach Hause.

Unsere Favoriten

Geschenkabo

Verschenken Sie Lesefreude

Ein Jahr für 72€ in D, 82 sFr in CH und 76€ für das restliche Europa.

Probeabo

3 Hefte und Ende.

3 Ausgaben für 35€ in D, 40€ im restlichen Europa und 40 sFr in der Schweiz.

Reguläres Abo

Beschenken Sie sich selbst

6 Ausgaben pro Jahr für 72€ in D., 82 sFr in der Schweiz und 76€ im restlichen Europa

Online Abo

Unterwegs oder zu Hause.

Überall Neue Keramik lesen
Abopreis 36€ pro Jahr (mit Zugang zu Archiv).